Protokoll
des Praxistages am 25.9.2023
Zu
Beginn stellte sich Bettina Dörr vor, die nach eineinhalb Jahren in
Kaufering seit April als Seniorenmanagerin in Landsberg arbeitet. Nach dem
Studium der Ökotrophologie arbeitete sie an verschiedenen Orten mit dem
Schwerpunkt Prävention und Gesundheit der Senioren. Sie hält Vorträge
veranstaltet Workshops und qualifizierte sich bei der BAGSO für die Beratung
und Betreuung der Kommunen zu diesem Schwerpunktthema. Dass die Ernährung für
das Wohlbefinden der älteren Menschen ganz entscheidend wichtig ist, wird oft
vergessen. Deshalb setzt sie sich zusammen mit dem Seniorenbeirat dafür ein,
dass es ab Oktober in Landsberg regelmäßig einen preiswerten Mittagstisch für
Senioren gibt. Man trifft sich dort, isst gemeinsam, schafft Kontakte und
entgeht so der gefährlichen Einsamkeit. Geplant sind auch gemeinsame Frühstückstermine
oder Treffpunkte innerhalb der Stadt, die man ohne besonderen Grund aufsuchen
kann, wenn man Gespräche oder Gesellschaft sucht.
Viele
gute Ideen, die schon seit Jahren vom Seniorenbeirat vorgebracht werden,
scheitern an den Finanzen. Es fehlen die passenden Räume und die Bereitschaft,
die Anliegen der Senioren genauso ernst zu nehmen wie die Betreuung der Jugendlichen.
Der
Prozentsatz der Senioren in der Stadt nimmt ständig zu, in Kürze sind es schon
25% der Landsberger, die älter als 65 Jahre sind. Und alle möchten bis ins hohe
Alter selbstbestimmt leben. Es ist noch viel zu tun, damit das auch gelingt. Bettina
Dörr sieht großen Handlungsbedarf in der Informations- und
Öffentlichkeitsarbeit. Ein nächstes großes Vernetzungstreffen der
Seniorenorganisationen und Seniorenvertreter wird am 16.November 2023 im
Sportzentrum stattfinden.
Im
zweiten Teil des Praxistages ging es um die QuartierPflege.
Pajam Rais -Parsi, der am Landratsamt das Seniorenpolitische
Gesamtkonzept leitet, ist u.a. zuständig für die Pflegebedarfsplanung und die
Wohnraumanpassung. Er organisiert und führt Schulungen für Demenzbegleiter durch,
betreut die Seniorenvertreter der Landkreisgemeinden und vieles mehr.
Das
Landratsamt liefert Konzepte, finanziert die Qualifizierungen, z.B. für die
Übungsbegleiter der Bewegungstreffs und unterstützt pflegende Angehörige. Bei
allen Projekten ist Geld das Hauptproblem. Während die Betreuung der
Jugendlichen eine Pflichtaufgabe des Landkreises ist, ist die Unterstützung der
Senioren eine freiwillige Aufgabe.
Betreuung
und Pflege sind ein großes Problem. Die demographische Entwicklung ist bekannt
und die Probleme seit 1990 vorhersehbar. Die Pflegeversicherung, die es seit
1995 gibt, reicht nicht aus, um die Kosten, die in der Pflege anfallen, nur
annähernd zu decken. Zurzeit gibt es im Landkreis 3500 Personen mit
Pflegebedarf, bis 2040 werden es 5100 sein. Dann wird es unmöglich sein, für
alle eine angemessene Pflege zu bekommen. Immer häufiger werden wegen des
Personalmangels bei den mobilen Pflegediensten Touren eingestellt.
Die
Generation der Arbeitenden ist schon jetzt hoch belastet, weil einerseits die
eigenen Kinder zu versorgen sind und zusätzlich die Eltern und Großeltern auf
Unterstützung hoffen. In den Pflegeheimen bleiben 60 bis 80 Betten leer, ca.
100 alte Menschen warten auf einen Pflegeplatz, aber es gibt kein Personal. Die
Pflegeheime rentieren sich erst bei einer Auslastung von 98%, eine Belegung von
80% ist nicht mehr tragbar. Wenn die 1964er altern, ist der Höhepunkt erreicht.
Dann sprechen wir nicht mehr von einer Krise, dann ist die Katastrophe erreicht.
Das
Gehalt der Pflegekräfte ist inzwischen nicht mehr das größte Problem, die
Arbeitsbelastung ist aber immens hoch. Die Ausbildungskapazitäten steigen nicht
genug und die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte bringt nicht die gewünschte
Entlastung.
Nun
also die Idee der QuartierPflege, die
eventuell ein Ausweg aus dieser fatalen Situation sein kann. Es wird in Kürze
nicht genug Pflegepersonal geben. Da bleibt nur die „sorgende Gemeinschaft“, in
der möglichst viele Beteiligte sich um wenige Pflegbedürftige kümmern sollen.
Nachbarn und Ehrenamtliche aus der Umgebung sind dann Mitarbeiter des
Pflegedienstes, die für ihre Arbeit bezahlt werden. Der „Nachbar“ muss dabei
nicht derjenige sein, der nebenan wohnt. Das kann auch jemand aus dem
Nachbarort sein, den man nicht so gut kennt. Wichtig ist eine verlässliche
Versorgung. Der Landkreis ist der Arbeitgeber, die Leistungen können zum Teil
mit der Pflegeversicherung abgerechnet werden. Der Landkreis und die Kommunen
müssen dabei finanziell in Vorleistung gehen. In vier bis fünf Jahren soll sich
der Einsatz dann rentieren. Für jeden Pflegebedürftigen braucht es einen
Fallmanager, der die Aufgaben an die Laienhelfer den Fähigkeiten entsprechend delegiert
und mit denen der professionellen Pflegekräfte koordiniert. Die Kosten für das
Fall-Management werden von der Stadt übernommen.
Als
Quartier gilt ein Bereich von ca. 1500 Einwohnern im Einzugsbereich von etwa 10
Quadratkilometern. Man rechnet mit 75 bis 100 Pflegebedürftigen, für die 200
„Pfleger“ zuständig sein sollten. Man rechnet mit drei bis sechs Personen für
jeden Fall. Alle die daran beteiligt sind, unterliegen einer gewissen sozialen
Kontrolle, d.h. wer einmal eine Aufgabe übernommen hat, wird sie wohl auch
zuverlässig erfüllen.
Dieses
Konzept wird seit 2018 entwickelt und von beiden Seiten akzeptiert. Die wenigen
Profis sollen da eingesetzt werden, wo ein Laie überfordert ist, bei der
komplexen Grundpflege, der Behandlungspflege. Laien beginnen vielleicht mit
einfachen Aufgaben, dem Einkaufen oder der Begleitung bei Spaziergängen. Sie
können sich später für schwierigere Aufgaben qualifizieren.
Ein
erstes Pilotprojekt startet am 1.4.2024 in Erpfting und baut auf dem jetzt
laufenden Projekt „SeniorenmanagerIn“ auf. Da auf die
ambulanten Pflegedienste mit diesem Projekt anspruchsvolle Verwaltungsaufgaben
zukommen, müssen sich die Leiter der Pflegedienste dafür qualifizieren.
Hoffen
wir alle, dass dieses Konzept aufgeht und wir in den nächsten Jahren mit einer
zuverlässigen Versorgung rechnen können.
Antoinette
Steinmann